Text Beifang
Schweinswale
Dr. med. Andreas Pfander
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Bundesministerium für Verbraucherschutz,
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Institut für Seefischerei
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25.05.2005 /Pf/Pr
Betr.: Unbeabsichtigter Beifang von Schweinswalen (Phocoena phocoena) in Grundstellnetzen in der westlichen Ostsee
Sehr geehrter Herr Bradhering,
seit über 20 Jahren engagiere ich mich für den Schutz der Schweinswale in der westlichen Ostsee, in enger Zusammenarbeit mit den wissenschaftlichen Institutionen des Landes Schleswig-Holstein, dänischen Wissenschaftlern und der Gesellschaft zum Schutz der Meeressäuger e.V. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Hauptgefahr für diese bedrohte Tierart von Grundstellnetzen ausgeht, die vor der Küste in etwa 5 - 15 m Wassertiefe gestellt werden. Besonders junge Tiere schwimmen in diese Netze, die sie nicht rechtzeitig als Gefahr erkennen, hinein, verfangen sich und ersticken. Aus den seit 1987 für einen begrenzten Teil der Ostseeküste Schleswig-Holsteins systematisch gesammelten und ausgewerteten Daten, die ihren Niederschlag in mehreren wissenschaftlichen Publikationen gefunden haben, geht hervor, dass Beifänge von Schweinswalen sehr häufig in einem Gebiet zwischen Schleimünde und Flensburger Förde passieren. In dieser Region kommen Schweinswale sehr häufig vor; dies belegen sowohl die Auswertungen spontaner Sichtungen, die von der Gesellschaft zum Schutz der Meeressäuger zusammen mit dem Forschungs- und Technologiezentrum West der Universität Kiel in Büsum durchgeführt werden als auch die Daten von Hydrophonketten, die seit 2000 in diesem Gebiet ausgelegt werden.
Im Rahmen des Schweinswal Monitorings in dem geplanten FFH Gebiet Flensburger Förde bietet es sich an, in Zusammenarbeit mit den einheimischen Fischern, die in der Mehrzahl zur Kooperation bereit sind, im Sinne des sog. Jastarnia Plans (2002) Fischereimethoden einzuführen, die sowohl umweltverträglich sind als auch den Beifang von Schweinswalen verhindern.
Folgende Maßnahmen sind durchführbar u. sinnvoll:
1. Die Einführung oder Wiedereinführung der sog. Bundgarne, die an der dänischen Ostseeküste weit verbreitet sind und keine Bedrohung für Schweinswale darstellen. Nach den Erfahrungen dänischer Wissenschaftler gelingt es, bei regelmäßiger Kontrolle die Tiere rechtzeitig zu befreien.
2. Die Reduzierung der Standzeit der Stellnetze. 1992 kam es zu einer Verminderung der jährlichen Beifangquote um 70 %, da wegen einer massenhaften Invasion von Krabben, die die Netze enterten und plünderten, die Fischer, die ihre Netze sonst bis zu 24 Stunden stehen lassen, diese bereits nach 4 Stunden wieder einholen mussten.
3. Die Einrichtung fischereifreier Zonen. Da über 90 % der Beifänge von Schweinswale sich während der Nachtzeit ereignen, könnte ein nächtliches Fangverbot in bestimmten Zonen eine Reduzierung der Beifangquote bewirken.
4. Der Einsatz von Pingern zur Vergrämung von Schweinswalen ist umstritten. Neben Fragen der praktischen Durchführbarkeit und Kontrolle wurde in anderen Regionen ein gewisser Gewöhnungseffekt nachgewiesen. Außerdem führt die ständige Abgabe von Schallimpulsen zu einer vermehrten akustischen Umweltbelastung im Unterwasserbereich der Küstenregion. In der Entwicklung sind sog. interaktive Pinger, die das abschreckende Geräusch erst abgeben, wenn ein Schweinswal sich dem Stellnetz nähert. Es erscheint daher sinnvoll, in der Region im Rahmen eines Beobachterprogramms interaktive Pinger in Grundstellnetzen einzusetzen.
5. Da die oben genannten Maßnahmen vermutlich zu einem Rückgang des Fischereiertrages führen werden, müssten für die kooperierenden Fischer andere Fangquoten festgesetzt werden, um wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden.
6. Bei zeitlich engmaschiger Kontrolle der Fangeinrichtungen sollten im Falle eines gefangenen Schweinswals sofort alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen getroffen werden, um das Tier gesund und unbeschadet wieder in die Freiheit zu entlassen. Im Todesfall sind sämtliche Umstände des Beifangs genau zu protokollieren und eine veterinär-pathologische Untersuchung durch die Arbeitsgruppe 7 des Forschungs- und Technologiezentrums Westküste der Universität Kiel umgehend zu veranlassen.
7. Der beschriebene Maßnahmenkatalog sollte von einem Kommite aus Vertretern der Fischer, der Fischereiaufsicht, des oben genannten wissenschaftlichen Instituts sowie den Naturschutzorganisationen GSM und NABU überwacht werden.
8. Eine Zusammenarbeit mit dem Sekretariat von ASCOBANS, ECS und dänischen Behörden ist anzustreben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. med. Andreas Pfander